K.FLAY
Der Begriff „unangepasst“ ist für die Sängerin, Musikerin und aufregende Performerin Kristine Flaherty alias K.Flay nachgerade ein Euphemismus, und zwar sowohl in künstlerisch-stilistischer wie auch geschäftlicher Hinsicht. Als jemand, der „eher zufällig zur Profimusikerin wurde, ich bin da irgendwie so reingerutscht“, folgt sie nur einem einzigen Ideal: Exakt die Musik zu machen, die sie selber aufregend und begeisternd findet – und zwar unter Bedingungen, die sie selbst gewählt hat. So kam es auch, dass es K.Flay, geboren und aufgewachsen in Chicago und nach Stationen in Standford (wo sie Psychologie und Soziologie studierte) und San Francisco nun in Los Angeles lebend, nach über einem Jahrzehnt des intensiven Musikmachens erst auf ein selbstveröffentlichtes Album, vier EPs und einige Mixtapes brachte. Die Begeisterung für ihren absolut eklektischen, unverwechselbaren Sound kennt seit diesen ersten konservierten Lebenszeichen ihrer sprühenden Kreativität aber nahezu keine Grenzen mehr – zumindest bei all jenen, die gern einmal über den stilistischen Tellerrand schauen.
Oder kann man sich auch nur einen anderen Musiker vorstellen, der mit so gegensätzlichen Künstlern wie Snoop Dogg, Passion Pit, Icona Pop und Dashboard Confessional sowie als Teil der VANS Warped Tour auf Tournee gehen kann – und immer passt oder kontrastiert ihre Musik auf die ein oder andere Weise perfekt und reagiert geradezu direkt auf jeden Impuls von außen? So geschah es mit K.Flay in den vergangenen Jahren, bedingt durch ihren einzigartigen Style, bei dem selbst der wortgewandte SPIEGEL glatt ins Stottern gerät bei dem Versuch, ihr 2014 erschienenes Debütalbum „Life As A Dog“ irgendwie mit Worten zu greifen: „Was ist das? Indierock-Rap? Hip-Rock? Egal. Es klingt auf jeden Fall, trotz der Schwermut der Texte, frisch und unerhört.“ Fakt ist, dass K.Flay, sozialisiert mit Künstlern wie M.I.A., Missy Elliott, Cat Power, Royal Blood, Tame Impala und OutKast, ihre vollkommen eigene Version von postmodernem Sound etabliert – ebenso Hip-Hop wie Indierock, genauso poppig anziehend wie elektronisch verspult, gleichsam sofort einnehmend wie avantgardistisch unangepasst.
Zwar war ihr Vater, ein Gitarrist, ebenfalls ein wichtiger Einfluss für sie – aber zur Musik als Profession kam sie tatsächlich eher zufällig. Ihr erster Track war nichts anderes als eine Art Wette an der Uni: Sie wollte beweisen, dass man Rap machen kann, der weder simpel noch misogyn oder formal festgefahren ist. Jener Track kam so gut an, dass sie begann, an ihrer Uni kleine Performances mit eigenen Songs zu machen; als sie ihr erstes Mixtape erstellte, wurden auch die Plattenfirmen auf sie aufmerksam. Es folgten zwei EPs für ein Majorlabel - „Eyes Shut“ (2012), produziert vom The Prodigy-Kopf Liam Howlett, und „What If It Is“ (2013) in Eigenproduktion:
eine Erfahrung, die sie in der Rückschau als so problematisch empfand, dass sie den Vertrag wieder auflöste und das Geld für die Produktion ihres Debütalbums „Life As A Dog“ per Crowdfunding zusammentrug. Jenes brachte ihr 2014 ohne jede Promotion erste große Erfolge – darunter ein Platz 2 in den US-Heatseekers Charts. Nach weiteren Tourneen, unter anderem mit AWOLNATION und Third Eye Blind, schloss sie als erste Künstlerin überhaupt einen Vertrag mit dem neu gegründeten Label Night Street Records des Imagine Dragons-Frontmanns Dan Reynolds ab. Dort erschien nun zuletzt die alles Bisherige überragende EP „Crush Me“, die K.Flay in der Abgeschiedenheit Tenessees mit dem Musiker und Produzenten JT Daly aufnahm – eine so kraftvolle wie kämpferische Melange aus harten Rhythmen, sägenden Gitarren, drückenden Bässen und einem Sound zwischen Indie, Rap, Pop und Elektronik. Nun versteht sich K.Flay auch endlich als Vollzeit- wie Vollblut- Musikerin und strebt eine besondere Karriere an: „Ja, es gab da einige echt hohe Höhen und echt tiefe Tiefen im Verlauf der Jahre“, sagt sie. „Aber dieses Gefühl, aus Nichts etwas zu kreieren, macht mich einfach nur glücklich und hilft mir dabei, meine Sorgen zu vergessen. Einfach nur diese Handlung, diese Tätigkeit, das Musikmachen selbst – das hat immer noch etwas so wahnsinnig Lebensbejahendes, finde ich.“
Und nicht nur sie, denn trotz all ihrer ästhetischen und klanglichen Eigenheiten besitzen ihre Songs oft etwas Erhabenes, das sie zu postmodernen Hymnen für jeden von uns macht; wie etwa „Blood on the Cut“, die erfolgreichste Single aus ihrem 2017 veröffentlichten, zweiten Album „Every Where Is Some Where“: Erst stieg sie bis auf Platz 4 in den US Alternative Rock-Charts und wurde bei den Grammys 2018 mit einer Nominierung zum „Best Rock Song“ geadelt. Und Fortsetzung folgt: In diesem Jahr nun erschien mit „Bad Vibes“ nicht nur der erste neue Song aus dem Arbeitszyklus zu ihrem dritten Album „Solutions“, sondern zugleich ihre vierte Top-30- Single der US-Alternative Charts. Ein enorm aromensatter Vorgeschmack auf eines der wahrscheinlich weltweit meistersehnten Alben dieses Jahres.