Verlegt aus dem Festsaal Kreuzberg ins Astra Kulturhaus. Bereits gekaufte Tickets behalten ihre Gültigkeit,
MUFF POTTER
Nachdem Muff Potter letzte Woche bereits die ersten Hochverlegungen bekanntgegeben haben, folgt in Berlin aufgrund der erfreulichen Nachfrage nun die Nächste. Das Konzert wird vom Festsaal Kreuzberg in das Astra hochverlegt. Tickets behalten weiterhin ihre Gültigkeit, lediglich werden die Einlass- und Beginnzeiten um eine Stunde vorgezogen.
Wüsste man es nicht besser - und stünden diese Sätze in einem Buch, so einem, wo ein mächtig sprachbegabter Musiker aufregende Momente seiner Biografie zur Vorlage furioser Fiktion nimmt, und dann mit Gedanken und Figuren herrlich fliegen geht, so jemand vielleicht wie der weithin gefeierte Selfmade-Romancier Thorsten Nagelschmidt aka Nagel – hielte man den folgenden Satz zweifellos für reine Fantasie, denn nichts schien absurder: Muff Potter kehren zurück auf die Konzertbühnen! Tatsächlich und in Farbe und Fleisch und Blut! Und das gleich für sieben Konzerte deutschlandweit. Nach fast einem Jahrzehnt konsequenter Stille, mit den Original-Protagonisten, mit der Wut von damals und all diesen Songs, die sehr vielen sehr guten Menschen im Deutschland des Neumillenniums zum Ausdruck der eigenen Widersprüchlichkeit und Fehlerhaftigkeit wurden. Die sieben Alben und zahllosen EPs und Singles, die Muff Potter zwischen 1996 und 2009 veröffentlichten, gerieten weit über die Szene hinaus zu wahren Manifesten einer textlich wie kompositorisch selten klugen Punk-Dringlichkeit, zu scharfzügigen, entlarvenden, aber auch selbstgeißelnd introspektiven Sturmböen der Wahrhaftigkeit. Anfangs ebenso stark vom Geist des frühen Politpunks Marke Slime, ...But Alive oder EA80 geprägt wie vom krachenden und bisweilen scheppernden Alternative-Rock zwischen Dinosaur Jr., Hüsker Dü oder Fugazi, entwickelten sich Muff Potter unter der Ägide ihres Sängers, Gitarristen und Texters Thorsten Nagelschmidt zu wahren Meinungsführern der deutschen Subkultur und geradezu literarischen Meistern der feinen Beobachtung. Nicht nur textlich, auch klanglich und ästhetisch: Beginnend mit dem dritten Album „Bordsteinkantengeschichten“ verließ das Quartett, das sich schon 1993 in Rheine aus den Resten verschiedener Bands gegründet hatte, immer mehr mit freudvollem Vorsatz die angestammten Punk-Wurzeln, spielte auf jedem weiteren Album mit neuen, zusätzlichen Instrumenten, Intensitäten und Inspirationen und schuf damit einen unverkennbaren Muff Potter-Sound. Selbst der schwierige Spagat zwischen überzeugter DIY-Attitüde – sie hatten bereits zur Veröffentlichung ihres Debütalbums mit Huck's Plattenkiste ihr eigenes Label gegründet – und dem Flirt mit dem Big Biz in Form eines Vertrags mit dem Marktführer Universal gelang über zwei Alben und brachte neue Nuancen in Text und Ton, ohne ihre treu verfolgten Werte von entlarvend aufrichtiger Musik zu verwässern. Trotzdem kehrten Muff Potter 2009 mit „Gute Aussicht“ stilistisch und geschäftlich wieder zurück in ihre natürliche Keimzelle der Subkultur und in ihre Rolle als pointierter Stachel im allzu schalen Pop-Fleisch. Und doch: Mit dieser Platte, die vielen Fans seit den Frühwerken als die unmissverständlichste gilt, schloss sich der Kreis für Muff Potter. Denn Nagel, der bereits 2007 seinen autobiografischen Debütroman „Wo die wilden Maden graben“ veröffentlicht hatte, fand im Schreiben eine stärkere Kraft und dringende Notwendigkeit. Entsprechend wurde stets von allen Mitgliedern die Möglichkeit einer Wiedervereinigung verneint; es schien ausgemacht, dass Muff Potter für immer ein Ereignis unserer Erinnerung bleiben. Ironischerweise brachte ausgerechnet eine Lesung Nagels, der mit seinem aktuellen, dritten Roman „Der Abfall der Herzen“ sein bislang persönlichstes Buch schrieb und es deshalb erstmals unter seinem wahren Namen Thorsten Nagelschmidt veröffentlichte, eine auch für die Hauptakteure ungeahnte Wendung: Ende Februar standen während seiner Lesung im Berliner Festsaal Kreuzberg plötzlich drei Viertel der Band gemeinsam auf der Bühne und spielten einige Songs zur nachgerade ekstatischen Freude aller Anwesenden. Was nur als einmaliges Bonbon gedacht war, entwickelte über die letzten Monate offenbar eine Eigendynamik, die den Beteiligten neuen Schub verlieh, wie sie selbst lakonisch kommentieren: „Unser Schlagzeuger hat sein Schlagzeug wiedergefunden. So führte eins zum anderen.“ Und deshalb nun also die Sensation: Muff Potter sind wieder da. Für sieben Konzerte – und sie bringen obendrein ihre Alben als neu gepresste Vinylversionen mit, neben einer ganz neuen Muff Potter-Compilation auf CD und Vinyl, die viele, selbst dem beinharten Fan teils unbekannte rare Tracks und Alternativ-Versionen vorstellt. Und prompt fühlt sich die Welt etwas weniger kalt, unwirtlich und abweisend an.