Trinity Music präsentiert:
Fri
Friday
05.10.18
05.10.
Doors
19:00
Start
20:00
Concert

Chefket

+ Support: DISSY
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CHEFKET

Als „Traumsequenz“ beschreibt Chefket die drei Jahre, die seit seinem Top- Ten-Album „Nachtmensch“ vergangen sind. Endlich gab es die Bestätigung und den Erfolg, neue Möglichkeiten und damit einhergehend eine Gelassenheit, die er als Musiker nicht mehr erlebt hatte, seit er seine süddeutsche Heimatstadt verlassen hatte. Eine Freiheit, die neue Sinnfragen mit sich brachte: Wofür nutzt er die neu gewonnene Reichweite? Worum geht es im Kern, wenn der Druck abfällt?

Wenn man hört, wie Chefket in „Wo du stehst“ zu seinem Gegenüber sagt: „Egal woher du kommst, egal wohin du gehst (...) Da wo du stehst, ist es heller“, fühlt es sich kurz so an, als würde man einen immer lauter und selbstsicherer werdenden inneren Dialog belauschen; als würde sich eine gewonnene Erkenntnis erst richtig manifestieren, wenn man sie laut ausspricht und wiederholt. Und diese Erkenntnis ist universell, nicht nur auf das Ich oder das Du bezogen. Das passiert häufig auf „Alles Liebe“. Chefkets wichtigster Bezugspunkt ist immer eine andere Person, das Denken, Handeln und Reflektieren im Mikrokosmos der Zweierbeziehung. Oft ist das die Beziehung zu einer Frau, aber nicht immer – in jedem Dialog auf Augenhöhe findet Chefket seine neue Rolle viel intuitiver als zuvor. Das liegt sicher auch daran, dass er in den vergangenen Jahren erst damit fertigwerden musste, sich und sein Dasein in der Wechselwirkung mit etwas Größerem zu definieren. Seine Identität als Deutscher mit türkischen Wurzeln, als Einzelgänger im anonymen Berlin, als Rapper und Sänger in einer angespannten Szene – letztendlich als Şevket Dirican innerhalb einer komplexen Gesellschaft. Das war die Gedankenwelt, mit der er sich lange auseinandersetzte. Erst für „Alles Liebe“ tritt die Gesellschaft wieder in den Hintergrund und der Mensch selbstbewusst nach vorne.

Chefket verstand, dass er in all den Jahren in einem oft zynischen Geschäft, in einem immer materialistischer werdenden Genre das Zwischenmenschliche kaum noch zugelassen hatte – das Persönliche, die Liebe. Dabei ist das überhaupt kein neues Thema, im Gegenteil. Als Teenager im baden-württembergischen Heidenheim gründete er seine erste Band, und die Texte, erzählt er, drehten sich damals fast nur um Liebe; weil das alles war, was ihn ernsthaft beschäftigte. Diese Leichtigkeit war lange schwer zu greifen, nachdem er mit 23 den Entschluss fasste, alleine nach Berlin zu ziehen und dort sein Glück als Musiker zu versuchen. Er zog von Cypher zu Cypher, jobbte sich von Tresen zu Tresen, war unentwegt auf der Suche nach etwas und fühlte sich in diesen Jahren oft verkopft und verloren zugleich. Erst als sein Album „Nachtmensch“ 2015 den Major-Plattenvertrag brachte, Top Ten ging und Chefket zum ersten Mal seit seinem Abschied von zu Hause das Gefühl erlebte, auf sicherem Boden zu stehen, begann das Pendel wie im Zeitlupentempo zurückzuschwingen. Die Jahre davor waren prägend und unverzichtbar für Chefket, den Künstler. Aber Şevket, der Mensch, fühlte sich endlich, als fiele eine tonnenschwere Last von seinen Schultern. Und da Şevket und Chefket schon immer sehr nah beieinander waren, ist endlich wieder Raum für Menschliches, jetzt, wo die Betäubung abgeklungen ist. Weil nach dem Kampf nicht viel bleibt: nur das Wir, du und ich.

Natürlich macht man sich angreifbar, wenn man in seiner Musik solche persönlichen und intimen Momente sucht. Aber es hätte überhaupt keinen Gegenentwurf zu „Alles Liebe“ gegeben, kein zu pflegendes Image, sondern nur Ehrlichkeit und eben diese großen Erkenntnisse, die Chefket im Kleinen findet. Ganz am Anfang des Albums, nach der Lead-Single „Gel Keyfim Gel“ mit Marsimoto, nehmen gleich zwei Songs – „Aufstehen“ und „High“ – den Hörer mit in den Loop des alltäglichen Aufwachens und die damit verbundene Frage: wozu eigentlich? Das sind für Chefket die Momente, um die es geht und in denen sich herausstellen muss, wofür man das alles tut und mit wem. Wofür brennst du? Er hat die Frage für sich selbst längst beantwortet und findet auch hier, wenn Ruhe und Klarheit herrscht, in seinem Gegenüber so viel von sich selbst wieder, dass zwei Identitäten – wie in „Work It“ – immer wieder kurz zu einer verschmelzen. Der Rückzug ins Private ist trotzdem nicht unpolitisch: „Fremd“ ist eine Migrationsgeschichte, die sich mit Anpassung und einem subjektiven Heimatbegriff in all seiner Ambivalenz beschäftigt. Aber wie auch in „Müde und rastlos“ mit Sido und Crackaveli: Chefket spürt immer die Hoffnung und streckt seine Hand aus, wo andere Konfrontation suchen. Schließlich weiß er, dass er am Ende alleine im „Scheinwerferlicht“ steht und genau diese Geschichten erzählen möchte.

Schon wenige Monate nach „Nachtmensch“ kristallisierte sich in einer abgeschiedenen Blockhütte in Dänemark in ersten Sessions mit dem Hamburger Produzenten Farhot heraus, wohin die Reise gehen könnte. Viele Songs erlebten über zweieinhalb Jahre hinweg mehrere Inkarnationen, Themen tauchten immer wieder auf und verdichteten sich. Chefket selbst erarbeitete viele Songskizzen zunächst alleine, nur mit Stimme und Gitarre, die er neben Farhot auch mit langjährigen Weggefährten wie BenDMA, seinem Musical Director Johnny Arzberger und The Krauts weiterentwickelte. Der 16-jährige Hamburger AgaJon brachte schließlich „Sowieso“, eine der ältesten Songideen, noch kurz vor Abgabe in die heutige Form – und landete damit direkt die zweite Single zum Album. Bei alldem klingt „Alles Liebe (Nach dem Ende des Kampfes)“ gerade in seinen ruhigen Momenten kompromisslos modern und zugleich organisch, Soul spielt neben der Konstante Rap eine größere Rolle als je zuvor.

Chefket ist zurück – mit allem, was ihn bewegt, was ihn ausmacht, und mit einem einnehmenden, entwaffnend offenen und grundpositiven Album.


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